Schloss Hogwarts

Nomina revelio!

Harry Potter und Du-weißt-schon-wer im Namensduell

So könnte er lauten, der Zauberspruch, der das Geheimnis der Vornamen sichtbar macht. Wenn schon nicht hier in der Muggelwelt, dann doch zumindest in der Welt der Hexen und Zauberer. Und man bekäme so viel verraten, es wäre ein Fest für den geneigten Leser! Und man munkelt, so ein Ausflug in die Namenswelt von Harry und Co ist für demnächst geplant… Aber so ein ganz kleines Namensfest böte sich doch heute schon an, anlässlich der Veröffentlichung von „Harry Potter and the Cursed Child“. Wir könnten doch… Ganz kurz zumindest?
Na gut!

Denkt daran, wutschen und zwei Mal schnipsen, nicht wie beim Schwebezauber! Die Betonung liegt auf dem ersten o und dem zweiten e!

Nomina revelio!

Sehr gut. Sieht aus als hätte es geklappt. Dann legen wir mal ganz schnell los. Und halten uns kurz. Oder versuchen es zumindest…

Ein kleiner Exkurs zu Beginn muss trotzdem sein… Kennt ihr das geflügelte Wort „Hinz und Kunz“? Es bedeutet soviel wie „jeder“, also wirklich jeder. Im Mittelalter, als die Namen Heinrich und Konrad in den Kreisen der Könige und Kaiser sehr präsent waren, wurden natürlich auch die Sprösslinge der einfachen Bevölkerung so genannt. Wie so oft setzten sich dort aber Kurzformen als Rufname durch, eben zum Beispiel Hinz und Kunz. Und weil das so unfassbar viele machten und es außerdem einen wirklich guten Flow hat, sagen wir’s noch heute, obwohl doch eigentlich „Alex und Chris“ (oder ähnliches) viel angebrachter wären. Sei’s drum – die Engländer hatten vermutlich ein ähnliches Problem. Denn auch wenn die Herkunft vom englischen Äquivalent „Tom, Dick and Harry“ nicht eindeutig geklärt ist, fällt doch auf, dass Thomas, Richard und Henry geläufige Namen im England des letzten Jahrtausends waren. Und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass J. K. Rowling unbeabsichtigt dem großen Helden und dem großen Bösewicht zwei so geläufige Namen mit auf ihren Weg gibt, obwohl sie sich bei fast allen anderen Charakteren richtiggehend kreativ austobt.
Wenn wir uns Harry übrigens noch ein kleines bisschen genauer ansehen und etwas in die Tiefe gehen, dann stellen wir fest, dass er als Kurzform von Henry mit unserem deutschen Heinrich (und dem Hinz!) verwandt ist. Seine Bedeutung setzt sich damit zusammen aus den Bestandteilen „heim“ = Haus, Heim und „rîhhi“ = reich, mächtig, Herrscher. Ob ein Zusammenhang hergestellt werden kann, zwischen dem heimatlosen Jungen, der durch Voldemort ziemlich viel Macht bekommt?

Harry James Potter, der Held, der eigentlich keiner ist, sondern eben ein „irgendwer“, der nur ist, was er sein muss. Ein Allerwelts-Vorname, ein ebensolcher Nachname, was würde deutlicher machen, dass wir es eben nicht mit einem besonderen Jungen zu tun haben, sondern einem wie du und ich?

Harrys schlimmster Feind, Lord Voldemort, der ihm seit seiner Geburt nach dem Leben trachtet, hat (und ich denke das überrascht jetzt niemanden) einen ebenso geläufigen Namen. Sogar einen Namen aus dem eben erwähnten englischen Sprichwort: Tom.

Harry und Tom teilen ein ähnliches Schicksal, wie in Rowlings Romanen immer wieder thematisiert wird. Lord Voldemort, der den Namen Tom für zu gewöhnlich hält, um zu ihm zu passen, legt den Namen mit Beginn seiner „Karriere“ als Mörder ab und bastelt sich ein Anagramm: „Tom Vorlost Riddle ist Lord Voldemort.“ schreibt er in der deutschen Übersetzung um sich vor Harry zu offenbaren. Im Englischen lautet sein voller Name Tom Marvolo Riddle („Tom Marvolo Riddle. I am Lord Voldemort.“), der Zweitname stammt in beiden Fällen von seinem Zauberer-Großvater, während der Rufname nach seinem Muggel-Vater vergeben wurde. Und eben von diesem möchte er sich distanzieren. Er ist kein Muggel – er ist etwas Besseres. Eben ein Zauberer! Und nicht irgendeiner, nein – der mächtigste und beste überhaupt. Ein bisschen größenwahnsinnig scheint er zu sein, der gute Tom, aber wie gewünscht traut sich nach Ablegen bald kaum noch jemand, seinen neuen Namen auch nur auszusprechen.

Das Nennen des Namens ist in den Büchern eines der großen Zeichen von Mut. Als Harry aber bei ihrem letzten Aufeinandertreffen Voldemort bei seinem eigentlichen Namen Tom nennt, zeigt er eine andere Form von Mut: Er erkennt das Gewöhnliche in Voldemort an. Das ist deshalb als mutig zu betrachten, weil dem Bösen zu gerne und zu oft seine Normalität abgesprochen wird, um es leichter zu ertragen. Andererseits quält es Lord Voldemort bis aufs Blut, will er doch gerade der Gewöhnlichkeit entkommen, und nicht nur der, sondern eben auch seiner Vergangenheit als Sohn eines Muggels.

Das Normale ist nicht immer schlecht, ich glaube das zeigt J.K.Rowling mit dem Sieg Harrys über Lord Voldemort deutlich. Es gewinnt nicht der bessere Zauberer, der mit dem exklusiveren Riechorgan oder dem ausgefalleren Namen, sondern der stinknormale Sechzehnjährige, der nicht für sich, sondern für seine Freunde und Familie kämpft.

Es ist so schön, fast zu schön um wahr zu sein.

veröffentlicht von

Maike

am

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