Hier stimmt die Chemie

Eine Chemielehrerin nennt ihre Tochter Ester. „Na und?“, werden sich jetzt viele fragen. Zugegeben es handelt sich dabei um eine seltene Schreibweise des persischen Namens Esther, der so viel wie „Stern“ bedeutet, aber eigentlich kann man doch nicht meckern.

Ich sage indes, da hat sich die Kollegin bei der Namenswahl von ihrem Beruf inspirieren lassen. Als Ester wird in der Chemie eine Stoffgruppe von organischen Verbindungen bezeichnet, die unter Wasserabspaltung aus der Reaktion einer Sauerstoffsäure und eines Alkohols bzw. Phenols hervorgegangen sind. Am bekanntesten sind die Carbonsäureester, die uns im Alltag in Form verschiedener Duft- und Aromastoffe oder als Wachse und Fette begegnen. Der Wirkstoff von Aspirin, eines der meist verkauften Medikamente weltweit, gehört ebenso zu den Estern. Überhaupt spielen Ester tagtäglich eine wichtige Rolle in unserem Leben (wenn auch meist unbewusst).

Ester ist aber nicht der einzige „chemische“ Vorname. Sehen wir uns einmal das wichtigste
Schema der Chemiker an: das Periodensystem der Elemente (PSE). Hier finden wir Elementnamen, die auch Mädchen- und Jungsnamen sein können: Arsen, Nickel, Selen, Titan, Wolfram, Xenon. Verwundern mag das nicht, immerhin leiten sich viele Elementnamen von bestehenden Vornamen ab, allerdings sind diese meist so selten oder in Vergessenheit geraten, das wohl die meisten zuerst an die gleichnamigen chemischen Elemente denken werden. So stammt der Elementname Selen von der griechischen Mondgöttin Selēnē.

Es gibt aber auch zufällige Übereinstimmungen: Während sich der Elementname Wolfram von „Wolf-Rahm“ bzw. „Wolfsschaum“ herleitet und Bezug nimmt auf die erschwerte Zinngewinnung und große Schlackebildung, wenn Zinnerze in Gegenwart vom Wolframit-Mineral vorkommen, setzt sich der Vorname Wolfram aus den beiden althochdeutschen Bestandteilen wolf und hraban zusammen und bedeutet daher „Wolf-Rabe“.

Weitere Stoffgruppen und Stoffe, die ebenfalls als Namen existieren sind Amin, Indigo und
Ethan. Amine sind chemisch gesehen Derivate (Abkömmlinge) des Ammoniaks, bei dem ein oder mehrere Wasserstoffatome durch andere Atome bzw. Atomgruppen ersetzt wurden. Als Vorname ist Amin ein sehr alter Name, stammt aus dem arabischen Sprachraum und bedeutet „der Vertrauenswürdige“. Da dies ein Beiname des Propheten Mohammeds war, wird Amin ihm zu Ehren auch heute noch von muslimischen Eltern gewählt.

Indigo ist die Bezeichnung für den Farbstoff, der zum Blaufärben von Jeans verwendet wird. Gleichzeitig wird er in den USA als Mädchenname verwendet. Ethan ist ein Gas, das zur Stoffgruppe der Alkane gehört und ein wichtiger Bestandteil des Erdgases ist. Zugleich ist Ethan einer im englischsprachigem Ausland häufig vorkommender Jungsname hebräischen Ursprungs mit der Bedeutung „der Langlebige“ und wird sogar in der Bibel erwähnt.

Dann gibt es wiederum Namen wie Arsenio, Aurea, Ceres, Silva und Urania, die zwar keine
chemischen Begriffe an sich sind, aber dennoch chemischen Bezeichnungen so sehr ähneln – in diesem Fall Arsen, Gold (Aurum), Cer, Silber und Uran –, das für mich ihr chemischer Charakter stark ausgeprägt ist. Da ich berufsbedingt viele der genannten Namen in einem anderen Licht sehe als die große Mehrheit der Namensfreunde und nicht objektiv urteilen kann, überlasse ich es den Lesern, ob sie diese Namen mögen oder nicht. Ich persönlich mag die beiden Namen Amin und Selen klanglich gern, würde aber keinen an eigene Kinder vergeben (nicht mal als stummen Zweitnamen). Mir erschiene das zu plakativ-albern, frei nach dem Motto: Sie hat ihren Beruf im Namen der Kinder ausgedrückt.

Zum Abschluss dieses Artikels stelle ich euch noch eine Abwandlung eines beliebten Spiels
unter Chemie-Studenten vor, dass Namenssuchenden und Namennerds, Rätselenthusiasten sowie Wortspielliebhabern gefallen sollte: PSE-Scrabble. Man nehme sich ein PSE (findet man z. B. in allen Schul-Tafelwerken oder natürlich über Tante Google ?) und bilde mit den Abkürzungen der Elementnamen Vornamen. Sina könnte so aus Silicium (Si) und Natrium (Na) gebildet werden. Die Elementsymbole können mehrfach verwendet werden, aber die Rechtschreibung der Namen muss stimmen (bzw. es dürfen nur gängige Schreibweisen verwendet werden und keine neuen „erfunden“). Die Ordnungszahl gibt die Punktzahl an. Wer am Ende die meisten Punkte hat, gewinnt. Viel Spaß beim Ausprobieren!

veröffentlicht von

Steffi

am

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